Auszüge aus den Begutachtungsleitlinien Stand 02.11.2009
Begutachtungs- Leitlinien zur Kraftfahrereignung
3.9.6 - Epileptische Anfälle und Epilepsien
Leitsätze
Wer unter epileptischen Anfälle leidet, ist nicht in der Lage, den Anforderungen
zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden, solange ein
wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven
besteht.
Grundsätzlich gilt dies auch für andere anfallartig auftretende Störungen mit akkuter Beeinträchtigung des Bewusstseins, der Motorik oder anderer handlungsrelevanter Funktionen, z.B. für Synkopen oder psychogene Anfälle. Die weiterführende Beurteilung der Fahreignung unterliegt dann anderen Kriterien als denjenigen, die bei epileptischen Anfällen angewendet werden.
Zur Beurteilung der Kraftfahreignung bei Menschen mit epileptischen Anfällen bzw. Epilepsien müssen auch mögliche assoziierte körperliche oder psychische Störungen berücksichtigt werden, falls notwendig auch durch Konsultation weiterer Fachdisziplinen. Besteht eine antiepileptische medikamentöse Behandlung (dies ist nur für Gruppe 1 von praktischer Relevanz), so darf die Fahrtüchtigkeit hierdurch nicht herabgesetzt werden. Dies ist auch bei einem Präparatwechsel oder einem Substanzwechsel zu beachten.
Bei Fahrerlaubnisinhabern beider Führerscheingruppe sind eine fachneurologische Untersuchung sowie fachneurologische Kontrolluntersuchungen in zunächst jährlichen Abständen erforderlich. Im Verlauf (etwa bei einer langjährigen Anfallsfreiheit) kann das Intervall zwischen den Untersuchungen verlängert werden .
Erstmaliger Anfall
Nach einem unprovozierten erstmaligen Anfall kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 6 Monaten wieder bejaht werden, wenn die fachneurologische Abklärung (inkl. EEG und Bildgebung) keine Hinweise auf ein grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie ergeben hat.
Sofern der Anfall an eine plausible anfallsauslösende Bedingung wie z.B. ausgeprägter Schlafentzug oder akute Erkrankungen (beispielsweise hohes Fieber, prokonvulsiv wirkende Medikamente, akute Erkrankungen des Gehirns oder Stoffwechselstörungen) geknüpft war (sog . provozierter oder akuter symptomatischer Anfall) und wenn diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind, kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 3 Monaten wieder bejaht werden. Ausdrücklich hingewiesen wird auf die häufige Koinzidenz einer durch Schlafmangel induzierten Manifestation eines ersten Grand Mal bei idiopathischer Disposition zu Epilepsie. Die idiopathische Disposition muss daher auch mittels EEG angemessen ausführlich evaluiert werden, bevor bei fehlendem Hinweis eine nur 3-monatige Fahrpause ausgesprochen wird.
Die minimal 3-monatige Anfallsfreiheit gilt auch bei epileptischen Anfällen, die in der ersten Woche nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem neurochirurgischen Eingriff -jeweils ohne Hinweise auf eine strukturelle Hirnschädigung -aufgetreten waren. Bei provozierten Anfällen im Rahmen eines schädlichen Gebrauchs oder einer Abhän50
gigkeit von psychotropen Substanzen ist eine zusätzliche Begutachtung durch die dafür zuständige Fachdisziplin erforderlich.
Epilepsien
Wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt (d.h. nach wiederholten Anfällen) ist eine mindestens 1-jährige Anfallsfreiheit die Voraussetzung für das Erlangen der Kraftfahreignung. Das Elektroenzephalogramm (EEG) muss dabei nicht zwangsläufig frei von epilepsietypischen Potenzialen sein. Bei einjähriger Anfallsfreiheit nach epilepsiechirurgischen Eingriffen sind darüber hinaus mögliche operationsbedingte fahrrelevante Funktionsstörungen zu beachten.
Persistierende Anfälle ohne zwangsläufige Einschränkung der Kraftfahreignung
Die geforderte Anfallsfreiheit als Grundlage der Fahreignung kann entfallen bei:
- ausschließlich an den Schlaf gebundenen Anfällen nach mindestens 3-jähriger Beobachtungszeit (erforderliche Bindung an den Schlaf und nicht notwendigerweise an die Nacht).
- einfach fokalen Anfällen, die ohne Bewusstseinsstörung und ohne motorische, sensorische oder kognitive Behinderung für das Führen eines Kraftfahrzeugs einhergehen und bei denen nach mindestens 1-jähriger Beobachtungszeit keine fahrrelevante Ausdehnung der Anfallssymptomatik und kein Übergang zu komplexfokalen oder sekundär generalisierten Anfällen erkennbar wurden. Dies muss durch Fremdbeobachtung gesichert sein und darf sich nicht allein auf die Angaben des Patienten stützen.
Anfallsrezidiv bei bestehender Fahreignung
Kommt es nach langjährigem anfallsfreien Verlauf zu einem "sporadischen" Anfall (oder mehreren Anfällen inner-halb von 24 Stunden), so kann die Kraftfahreignung schon nach einer Fahrpause von 6 Monaten wieder bejaht werden, sofern die fachneurologische Abklärung keine relevanten Aspekte ergibt, die ein erhöhtes Rezidivrisiko und damit eine Fahrpause von 1 Jahr bedingen. Lassen sich in einer solchen Situation relevante Provokations-faktoren eruieren, die in Zukunft gemieden oder verhindert werden, so kann die Fahrpause auf 3 Monate verkürzt werden.
Beendigung einer antiepileptischen Therapie.
Bei schrittweiser Beendigung einer antiepileptischen Therapie bei einem Menschen, der aktuell fahrgeeignet ist, ist die Kraftfahreignung für die Dauer der Reduzierung des letzten Medikamentes sowie für die ersten 3 Monate ohne medikamentöse Therapie nicht gegeben. Ausnahmen sind in gut begründeten Fällen möglich (z. B. insgesamt wenige Anfälle, Epilepsie-Syndrom mit niedrigem Rezidivrisiko, erfolgreiche epilepsiechirurgische Behandlung).
Gruppe 2
Generell gilt, dass die Fahreignung für die Fahrzeuge der Gruppe 2 nur dann angenommen werden darf, wenn der Betroffene keine Antiepileptika einnimmt.
Erstmaliger Anfall
Nach einem unprovozierten erstmaligen Anfall kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 2 Jahren wieder bejaht werden, wenn die fachneurologische Abklärung (inkl. EEG und Bildgebung) keine Hinweise auf ein grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie ergeben hat.
Sofern der Anfall an eine plausible anfallsauslösende Bedingung wie z.B. ausgeprägter Schlafentzug oder akute Erkrankungen (beispielsweise hohes Fieber, prokonvulsiv wirkende Medikamente, akute Erkrankungen des Gehirns oder Stoffwechselstörungen) geknüpft war (sog. provozierter oder akuter symptomatischer Anfall) und wenn diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind, kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 6 Monaten wieder bejaht werden. Ausdrücklich hingewiesen wird auf die häufige Koinzidenz einer durch Schlafmangel induzierten Manifestation eines ersten Grand Mal bei idiopathischer Disposition zu Epilepsie. Die idiopathische Disposition muss daher auch mittels EEG angemessen ausführlich evaluiert werden , bevor bei fehlendem Hinweis eine nur 6-monatige Fahrpause ausgesprochen wird.
Die minimal 6-monatige Anfallsfreiheit gilt auch bei epileptischen Anfällen, die in der ersten Woche nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem neurochirurgischen Eingriff -jeweils ohne Hinweise auf eine morphologische Hirnschädigung -aufgetreten waren . Bei provozierten Anfällen im Rahmen eines schädlichen Gebrauchs oder einer Abhängigkeit von psychotropen Substanzen ist eine zusätzliche Begutachtung durch die dafür zuständigen Fachärzte erforderlich.
Epilepsien
Wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt (d.h. nach wiederholten Anfällen oder Hinweisen auf ein erhöhtes Rezidivrisiko nach einem ersten Anfall), bleibt die Kraftfahreignung dauerhaft ausgeschlossen. Als Ausnahme gilt eine 5-jährige Anfallsfreiheit ohne antiepileptische Behandlung. Um dies zu beurteilen bedarf es einer fachneurologischen Untersuchung.
Tabellarische Übersicht (zu Einzelheiten siehe Text)